Gästebuch

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Toscana

Nach der Übungstour ins schöne Sachsen im Frühjahr 2001 war der Entschluss gefallen, zu dritt eine zweiwöchige Fahrt in die Toscana zu machen. Am 8. September des Jahres war es soweit. Petra, auch Mini genannt mit Ihrer kleinen CB500, Ulf auf der XJ900 und meine Wenigkeit, einer meiner ersten Auslandsreisen auf der FJR1300. Der erste Tag führte uns von Leverkusen bis an den Fuss des St. Gotthard in der Schweiz. Eine problemlose, wenn auch langweilige Autobahnfahrt, wie immer wenn es weiter weg gehen soll. Gegen 19:00 Uhr fanden wir eine schöne Bleibe in der Ortschaft Wassen. Fröhlich genossen wir ein gutes Abendessen und ein paar Bier und überlegten übermütig, ob wir nicht die geplante Route aufgeben und nach Griechenland fahren sollten, gaben diesen Plan aber schnell wegen der hohen Kosten und der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung stand wieder auf. 
Am nächsten Morgen erwartete uns ein kaltes, regnerisches Schmuddelwetter, dennoch machten wir uns auf den Weg in die Berge. Über den Grimsel und den Nufenen Pass führte der Weg in Richtung Bella Italia, wobei wir in Luftiger Höhe in ein Schneetreiben gerieten was uns doch etwas ängstigte. Schliesslich war unser Ziel die Toscana und nicht eine einsame, eingeschneite Berghütte auf der Passhöhe. Dennoch schafften wir es in Italien anzukommen, bevor die Strassen unpassierbar wurden. Und wie so oft erwartete uns am Fusse der Alpen auf Italienischer Seite ein strahlender Sonnenschein. Wir liessen Milano links liegen und erreichten gegen Abend Genova. Von dort folgten wir auf der Suche nach einem Campingplatz der Küstenstrasse bis kurz vor Lavagna, wo die erste Katastrophe der Reise unverzüglich einsetzte. Ulf hatte schon etwas über eigenartige Geräusche aus der Richtung seines Getriebes geklagt, welches nach einem kurzen Halt zur Orientierung in einem fürchterlichen GRRKRRKRR endete. Man konnte denken seine Schaltbox habe sich in Einzelteile aufgelöst und so war es auch. Es sollte das Ende sein für Blacky - so nennt er sein lila-graues Motorrad - und nun war guter Rat teuer. Wir parkten die Motorräder auf dem Bordstein und machten uns auf die Suche nach einer Bleibe, da es schon verhältnismässig spät war. Wir hatten die Hoffnung alles würde sich mit Hilfe des ADAC am nächsten Morgen zum Guten wenden, doch es scheiterte vorab schon einmal an einem Hotelzimmer, da aufgrund einer Messe oder ähnlichem, wie die Rezeptionsdame eines Hotels uns auf perfektem Italienisch erklärte, kein Bett in der Stadt frei war. Ich fuhr daraufhin die Küstenstrasse weiter in Richtung Süden, fand einen Campingplatz, buchte drei Stellplätze und machte dem Besitzer klar, dass wir etwas später kommen würden. In mehreren Fahrten fuhren wir Ulf und sein Gepäck zu besagtem Platz, nachdem wir Blacky an einer Tankstelle abgestellt hatten. Wir schlossen den Abend, ziemlich niedergeschlagen, dennoch voller Hoffnung auf den ADAC und die örtliche Yamaha Werkstatt in einer kleinen Pizzeria in der Nähe des Campingplatzes. Ein Ramazzoti folgte dem nächsten und der Wirt stellte am Ende der Einfachheit halber die ganze Flasche auf den Tisch, die wir, natürlich nur um ihn nicht zu kränken, sofort leer tranken.
Ein neuer Morgen, ein herrliches Wetter und eine neue Bekanntschaft machten uns Hoffnung, das sich alles zum Guten wenden würde. Ich hatte in der Nähe der Waschplätze jemanden kennen gelernt, der uns alle an die Grenze unserer nervlichen Belastbarkeit bringen sollte, Ausmasse, die wir zu dem Zeitpunkt noch nicht im Geringsten erahnen konnten.  - FRANZESCO - Ein kleingewachsener Mann, in den frühen 60ern, würde ich sagen. Er war einer der Dauercamper auf diesem Platz, hatte einen Wohnwagen und fuhr selber eine 600er Diversion, was auch der Auslöser war mit ihm ins Gespräch zu kommen. Mit Händen und Füssen und einem perfekten Italenglisch schilderte ich Ihm unserer Situation, worauf Franzesco sich sofort anbot uns zu begleiten, ja der örtliche Yamaha Händler sei sogar ein guter Freund von ihm. Lange Rede, kurzer Sinn, wir informierten den ACI, die Yami wurde auf einen Hänger verfrachtet und zur autorisierten Werksatt gefahren. Der Besitzer untersuchte den Schaden peinlichst genau, in dem er für eine Sekunde auf den Anlasserknopf drückte um uns dann seine Diagnose mitzuteilen. “Morto” sagte er, und mit der ausgestreckter Hand malte er ein Kreuz in die Luft. Finito. Blacky wurde in der Halle des ACI eingelagert und wir machten uns auf den Weg zurück zum Campingplatz, wo uns Franzesco erst einmal mit Italienischem Rotwein abfüllte. Benommen vom Rebensaft machte ich den Fehler unserem Gönner ein T-Shirt des Opladener Motorrad Club zu schenken, was ihn dazu veranlasste minutenlang in Italienisch auf uns einzureden. Ich hörte Wortfetzen wie “Tante Guzzi” und “Yamaha” heraus, antwortete ihm auf Deutsch, dass ich auch eine Tante habe, die aber Rena hiesse und nicht Guzzi. Das erfreute Franzesco sehr und er umarmte mich stürmisch. Wir verstanden uns prächtig, obwohl keiner so recht begriff, was der andere sagte. Offensichtlich hat er uns in seiner langen Rede zur Familie erklärt, denn er wich nicht mehr von uns. Es folgten ein paar Tage mit Fahrten in die nähere Umgebung, natürlich immer mit Franzesco, der uns sogar bis zur Toilette begleitete. Wir wagten uns schon nicht mehr aus unseren Zelten heraus, da Franzesco draussen lauerte um uns auf Schritt und tritt zu verfolgen, wie ein Klette. Somit entschieden wir ein Zelt und ein paar unserer Sachen in seinem Wohnwagen zurückzulassen und die Reise vorerst mit zwei Motorrädern fortzusetzen, Hauptsache weg, aus den Klauen des Franzesco.
Wir folgten der Küstenstrasse in Richtung Pisa, bogen auf die die E-76 in Richtung Florenz um in Montecatini Terme einen sehr schönen, ruhigen Campingplatz zu finden, der für die nächsten Tage unser Ausgangspunkt sein sollte. Von hier fuhren wir einige Tagestouren nach Süden und Norden, um uns abends im Fernsehraum auf CNN den Terroranschlag auf das WTC anzuschauen, wie alle anderen auf der ganzen Welt in diesen Tagen. Wir konnten das Ganze einfach nicht begreifen und unsere Stimmung sank so langsam auf den Tiefpunkt, zumal Ulf eigentlich nach Hause wollte und mittlerweile mit Rolf in Deutschland telefoniert hatte, der sich angeboten hatte ihn mit samt Blacky abzuholen. So entschlossen wir am nächsten Tag Sienna zu besichtigen um Ulf dann einen Tag später zurück nach Lavagna zu fahren, wo er auf Rolf warten wollte. Ich hatte dagegen nichts auszusetzen, wusste ich doch, dass Ulf bei Franzesco gut aufgehoben sein würde. Und so machten wir uns auf den Weg, über die Landstrasse bis nach Sienna. Ein wunderschönes Städtchen mit seinem weltberühmten Marktplatz, dem Piazza di Campo. Jährlich findet hier das Palio statt, eines der berühmtesten Volksfeste Italiens, wie ich im Reiseführer lese, dessen Höhepunkt das Pferderennen auf dem Platz sein soll. Doch es ist September, von Pferden keine Spur, stattdessen aber Touristen ohne Ende und so setzten wie uns zwischen sie um bei einen Cappuccino das fröhliche Treiben zu geniessen. Vor uns veräppelte einer dieser Gaukler die Leute, einer dieser, die einen auf ein paar Schritten begleiten, ohne das man es selber merkt, wohl aber merken es alle anderen um einen herum. Wir hätten dieser amüsanten Vorstellung noch stundenlang zuschauen können, doch wir wollten etwas durch die Gassen schlendern. Mitten auf der Piazza erkannte ich eine Gruppe Motorradfahrer, einer von Ihnen trug eine grellfarbene Kombi, die ich irgendwann schon einmal gesehen hatte. Und siehe da, es war eine Fraktion des Volgelsberger Motorrad Club, deren Treffen ich in der Nähe von Fulda schon ein paar mal besucht hatte. Erstaunlich, wie klein diese Welt ist. Wir schlenderten noch etwas durch die Gassen, waren nicht so recht bei der Sache, da Ulf die Geschichte mit seiner Blacky doch reichlich mitgenommen hatte. Seine schlechte Stimmung sprang auf Petra und mich über und wir fuhren gegen Nachmittag wieder zu unserem Campingplatz zurück. Eines ist jedoch sicher, ich werde dieses Sienna noch einmal besuchen, in besserer Verfassung, und es geniessen. Diese Stadt ist wunderschön.
Am nächsten Tag fuhr ich Ulf nach Lavagna zurück, wo er sein Zelt wieder aufbaute. Ich blieb nicht lange, doch meine Hoffnung unerkannt wieder von dannen zu ziehen, löste sich in Luft auf. Natürlich hatte FRANZESCO uns bereits entdeckt. Schnell machte ich mich wieder auf den Weg zu Petra, die in Monetcatini wartete, nicht ohne so etwas wie Mitleid für Ulf zu empfinden, musste er doch den ganzen nächsten Tag mit Franzesco verbringen.
Am nächsten Tag beschlossen Petra und ich nach Florenz zu fahren. Wir machten uns früh auf den Weg, liessen die Motorräder mit einem etwas seltsamen Gefühl vor der Stadtpforte stehen. Ein seltsames Gefühl, da man doch so viel über Diebstahl hört, dort in Bella Italia, doch in unserem Fall erwies sich dieses Gefühl als vollkommen unbegründet. Wir genossen Florenz ausgiebig. Die vielen Plätze, die Palazzi, die Ponte Veccio mit den Schmuckhändlern. Wer kennt das alles nicht. Ein himmlischer Ort, dieses Florzenz und ich denke mal, man hätte Tage in dieser Stadt verbringen müssen um alles zu sehen. Leider fehlte uns die Zeit, war doch schon eine Woche vergangen, seit wir Deutschland verlassen hatten. Auf dem Rückweg machten wir noch einen Abstecher zum piazale Michaelangelo, auf der anderen Seite des Arno, von wo man einen wunderschönen Blick auf die Altstadt hat. Dann verliessen wir Florenz und auch hier bin ich mir sicher, es war nicht das letzte Mal, das ich diese Stadt besucht habe. Unser Rückweg zum Campingplatz führte über kleine Strassen, durch Weinberge und eine sanfte Hügellandschaft. Alles in allem war das unser erster Urlaubstag, der nicht von Blackies Getriebeschaden überschattet war und so blickten Petra und ich der restlichen Woche hoffnungsvoll entgegen. Der Tag endete in einer wunderschönen Osteria , bei leckerer Antipasti Toscanico und Rotwein.

Am nächsten Tag bauten wir die Zelte ab um noch etwas weiter in den Süden zu fahren. Zwar hatten wir kaum noch Zeit, mussten uns eigentlich auf den Heimweg begeben, dennoch wollten wir zumindest das Gefühl haben richtig in die Toscana gefahren zu sein. Ausserdem fehlte mir noch das Foto. Dieses Foto eines Bauernhauses auf dem Hügel und die dazugehörige Zufahrtstrasse mit den Zypressen. Unser Weg führte vorbei an Sienna nach Monticiano, wo wir einen Campingplatz fanden, aber auch den stärksten Platzregen aller Zeiten erleben sollten. Urplötzlich setzte er ein und wir waren an der Bar gefangen, unter einem kleinen Dach stehend und es blieb uns nichts anderes übrig als zu warten und die Zeit totzuschlagen indem wir die spärlichen Ramazzoti Reste aufbrauchten, die an der schlecht sortierten Bar noch zu erhalten waren. Der Abend endete im Restaurant des Campingplatzes, das mich mehr an eine Bahnhofshalle erinnerte.
Am nächsten Tag machten wir bei durchwachsenem Wetter noch eine Tour durch die Umgebung, besichtigten eine Weinkellerei und beschlossen am Abend am nächsten Tag zu packen und gemütlich über die Landstrasse nach Hause zu fahren. Dieser Urlaub war irgendwie verkorkst, alles war so anders abgelaufen als geplant und die Zeit lief uns davon. Das Problem mit Blacky und nicht zuletzt die Ereignisse des 11. September hatten bei mir und ich glaube auch bei Petra, für eine äusserst schlechte Stimmung gesorgt und ich für meine Person war nicht so recht in der Lage die Schönheiten der Toscana zu geniessen. Dennoch sollte es mir gelingen, das vorgenannte Foto doch noch zu schiessen.

Die Rückfahrt erfolgte über die Landstrassen, vorbei an Florenz und am ersten Tag über die alte 65 bis fast nach Bologna. Eine wunderschöne Landschaft mit mehreren kleinen Pässen, allerdings mit einem fürchterlichen Strassenbelag. Millionen von Schlaglöchern, von denen unserer Vorderräder, trotz äußerster Vorsicht mindestens ein Drittel trafen. Aber landschaftlich ist diese Gegend ein Traum. Irgendwo in einem Bergdorf fanden wir ein Hotel, das sogar über eine Garage verfügte und fielen nach der obligatorischen Pizza und ein paar Bier in einen Schlaf, der auch mit einem Koma vergleichbar ist.

Der nächste Tag führte uns durch etwas triste Landschaft bis an das südliche Ufer des Garda Sees. Ab hier tuckerten wir gemütlich am östlichen Ufer entlang bis hoch nach Riva, wo wir uns wieder eine Bleibe suchten. Ich war das erste mal in dieser Gegend, obwohl ich schon viel darüber gehört und gelesen hatte. Und auch hier sagte ich mir, dass es nicht das Letzte mal gewesen ist. Nach einer guten Nachtruhe machten wir uns früh am nächsten Tag auf die Heimreise nach Deutschland. Wir hatten ein wunderschönes Wetter, und somit störte es uns nicht, dass ich meine Orientierung verlor, was uns ein paar schöne zusätzliche Pass Strassen und den Anblick herrlicher Landschaften bescherte. Trotz aller Umwege schafften wir es am Abend bis zum Bodensee. Auf dem Weg dahin hatten wir 5 hohe Pässe überwunden, eine bemerkenswerte Strecke vor allem für Petra, wenn man bedenkt dass sie die Strecke auf einer CB500 mit voller Beladung gemeistert hat. Natürlich war es in Deutschland mit dem schönen Wetter vorbei. Genau an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz durchquerten wir eine Regenwand, die uns auf den nächsten paar hundert Kilometern begleiten sollte. Wir fuhren zusammen noch bis Pforzheim, wo ich mich nach Bretten absetzte um nach Jahren an einem Klassentreffen teilzunehmen, welches meine Mitschüler aus der Deutschen Schule Athen organisiert hatten. Sicherlich standen die Sterne für diese Tour nicht gut, doch ich weiss heute schon, dass ich sie unter anderen Voraussetzungen gerne noch einmal fahren würde.